Jede Gesellschaft muss ihre Reproduktion und ihre soziale Integration innerhalb bestimmter Grenzen im Zusammenwirken sicherstellen. In einer Arbeitsgesellschaft erfolgt dies auf Grundlage gesellschaftlicher Arbeitsteilung über den Zusammenhang von Arbeitsleistungen, über Kooperationen sowie über den Zusammenhang ökonomischer Verwertung und politischer Regulation und Gestaltung. Werte spielen dabei eine zentrale Rolle: Nicht allein als Tauschwert in der Ökonomie, sondern vor allem als soziale Werte, die wiederum Transaktionen, Verträge oder grundlegende Rahmenbedingungen in der Wirtschaft sichern.

Wie in der Debatte um Gerechtigkeit gibt es eine breite Diskussion um Werte, arbeitsorganisatorische Leitbilder, Eigenwerte, moralische Werte, den Stellenwert der Ökonomie etc. Im Alltagshandeln und der Wertbildung, in der Auseinandersetzung um Rationalisierung und Partizipation, um Restrukturierung und „permanenten Wandel“ spielen kulturelle, soziale und ökonomische Wertveränderungen häufig eine implizite Rolle. Nicht selten sind mit Change-Projekten neue kulturelle Wertvorstellungen verbunden.

Der Konflikt, welcher den Hintergrund des problematischen Zusammenhangs von Changemanagement und psychosozialen Belastungen verständlich werden lässt, kann als grundlegender Konflikt zweier unterschiedlicher Formen praktischer Rationalität verstanden werden. Unter praktischer Rationalität lässt sich die menschliche Fähigkeit verstehen, Handeln durch Gründe so zu organisieren, dass Menschen ihren Handlungen im Rahmen einer Struktur solcher Gründe Wert beimessen können. Eine Trennung von Rationalität und Moral ist dabei abwegig. Unsere Handlungen sind wertvoll, wenn sie in einem solchen System der Gründe einen Platz finden. Diese Gründe bestimmen den Sinn der Handlungen sowohl für den Handelnden selbst, als auch gegenüber anderen Menschen und über längere Zeiträume hinweg.

In Bezug auf das Changemanagement und psychosoziale Belastungen ist zu beachten, dass die „strukturelle Rationalität“ der kooperativen Arbeitszusammenhänge und der ökonomischen Verwertungsbeziehungen zwar einerseits aufeinander angewiesen sind, aber andererseits in einem Konflikt stehen, der dazu führen kann, dass die eine Rationalität die andere überformt. In jedem Wirtschaftsunternehmen gibt es einen Kampf um Anerkennung, einen Kampf um die Reichweite der jeweiligen Rationalität. Beide Rationalitäten folgen einer jeweils eigenen Logik des Wertes, die dazu führt, dass sie eine unterschiedliche Dynamik der Veränderung besitzen. Welche Handlung durch welchen Zusammenhang bewertet wird, ist eine Frage, die sich jenseits des Konflikts nicht beantworten lässt.

Der ökonomische Typ der Rationalität unterscheidet sich von der Rationalität der Arbeit darin, dass ökonomisches Handeln eher einer Form von strategischer Optimierung folgt, in der Tendenz zur Maximierung des zu erwartenden Nutzens aus Sicht des Wirtschaftsunternehmens. Restrukturierungen unterstehen der Rationalität solcher strategischen Optimierungen. Sollen sie gelingen, sind sie aber auf tragfähige Kooperationszusammenhänge in der Arbeit selbst angewiesen, denn auch ökonomische Rationalität ist ein Teil der Rationalität menschlicher Praxis.

Der kooperative Typ der Rationalität unterscheidet sich gegenüber dem ökonomischen darin, dass er einen überindividuellen, sich zwischen Einzelentscheidungen vermittelnden Zusammenhang struktureller Rationalität bestimmt. Der Wert der einzelnen Arbeitshandlung ergibt sich hier aus dem Prozess der Arbeit als produktiver Kooperation zwischen den arbeitenden Menschen.

Gelungene Change Prozesse müssen die Transformation von Kooperationsprozessen vom Wert der Arbeit her begreifen können, d.h., sie aus dem Zusammenhang von Autonomie und Wertezusammenhang der Kooperation in der Arbeit selbst zu verstehen.