Permanentes Change-Management wird zum Alltag vieler Unternehmen: Bis zu zwei Drittel aller Betriebe leiten Umstrukturierung, Reorganisationen oder Changemanagement-Prozesse in den unterschiedlichsten Formen ein. Die Umsetzung auf der operativen Shop Floor-Ebene zeigt allerdings, dass die Change-Prozesse zwar oft nach oben und unten als Erfolg kommuniziert werden, aber selten intern eine ungeteilte Akzeptanz erfahren. Schätzungen zufolge bleiben 60-70% der organisatorischen Veränderungsprozesse hinter den betriebswirtschaftlichen Erwartungen zurück, relativ sicher ist dagegen die Leistungsintensivierung für die verbleibenden MitarbeiterInnen.

In Change Prozessen ist es Aufgabe der Führungskräfte, den MitarbeiterInnen die Planungen zu „verkaufen“ und ein Commitment für den Wandel zu erzielen. Insbesondere das mittlere Management steht dabei im Spannungsfeld zwischen übergreifenden Unternehmensinteressen, den skeptischen Reaktionen der Betroffenen und dem eigenen Empfinden. Es muss Emotionen abfedern, Widerstände abbauen und Rollenkonflikte ertragen. Dies wird mit potenziellen Stressfolgen in Verbindung gebracht. So gelten vermehrte Abgeschlagenheit, Reizbarkeit oder Entmutigung als Anzeichen aufgebrauchter persönlicher Ressourcen zur Stressbewältigung. Die Mehrzahl der Führungskräfte mit hohen Erschöpfungswerten sieht einen starken Zusammenhang zwischen ihrer subjektiven Erschöpfung und den Change Prozessen. Die „vitale Erschöpfung“ ist umso geringer ausgeprägt, je stärker die Führungskräfte ihre Einflussmöglichkeiten einschätzen. Dabei gibt es gravierende Unterschiede zwischen den Impulsgebern für Change-Maßnahmen im Top-Management, den praktischen Changemanagern und den lediglich passiv Betroffenen: Erstere, die „Architekten des Wandels“, sind weniger belastet, während die Manager des „Selling Change“ ein höheres Erkrankungsrisiko haben, da sie die Umsetzungsbarrieren aller Art sozial und persönlich zu bewältigen haben.

Aus Sicht der Führungskräfte entstehen gravierende psychosoziale Belastungen dadurch, dass ihre „Selling Change“-Aktivitäten ohne Kompensation zusätzlich zum Tagesgeschäft erwartet werden. Befragte kritisieren v.a. einen negativ konnotierten hohen Anteil „nicht-wertschöpfender“ Tätigkeiten, dessen arbeitsgestalterische Bearbeitung sowohl betriebliche Ressourcenschonung wie gesundheitspräventives Potential vermuten lässt.

Daher ist neben Zielen auf den Ebenen Zeit, Qualität und Kosten auch Wohlbefinden bzw. Gesundheit zu thematisieren. Besonders Führungskräfte sollten durch (noch selten genutzte) niedrigschwellige Beratungs- und Coaching-Angebote zunächst in die Lage versetzt werden, selbst achtsam mit ihren persönlichen Ressourcen umzugehen, um dann psychomentale Belastungen bei ihren MitarbeiterInnen rechtzeitig erkennen und abbauen zu können.

Für die gesamtbetriebliche Ebene der Belastungsbewältigung wird ein reflexives Kommunikationsformat vorgeschlagen, das unter Einbeziehung möglichst vieler betrieblicher Akteursebenen eine Bewertung des letzten/abgeschlossenen Restrukturierungsprozesses vornimmt. Dabei soll analysiert werden, ob die Reorganisation als „legitim“ und das Führungsverhalten als adäquat empfunden wurde, ob die interne Kommunikationsstrategie transparent war, ob evtl. erfolgte Leistungsverdichtung stressbezogen beobachtet wird oder ob die Betroffenen ihr Erfahrungswissen einbringen konnten.