Als Reziprozität wird das in zwischenmenschlichen Beziehungen wirksame Prinzip des Gebens und Nehmens, des wechselseitigen Austausches von Leistung und Gegenleistung bezeichnet.

Auf der beruflichen Ebene finden diese Austauschbeziehungen rein formal und instrumentell ihren Ausdruck, wenn es um Fragen der Entlohnung, der Arbeitsplatzsicherheit und der Gestaltung des (vertraglichen) Arbeitsverhältnisses geht. Natürlich handelt es sich dabei aber nicht immer um einen direkten, unmittelbaren Austausch, sondern es gibt auch informelle Prozesse in Form von Anerkennung von Seiten der Führungskräfte oder Unterstützung unter Kolleg*innen. Arbeitsbeziehungen können auch als asymmetrische Tauschbeziehungen bezeichnet werden. Hier entwickeln sich Reziprozitätsbeziehungen in einem generalisierten Sinne, weil sich Leistung und Gegenleistung zeitlich, sachlich und sozial relativ entkoppeln.

Dabei bilden sich in diesen Austauschprozessen soziale Erwartungsstrukturen heraus. Die Beschäftigten erwarten, dass auf eine erhaltene Leistung oder Hilfestellung mit einer angemessenen Gegenleistung oder Gegengabe geantwortet wird. Das Ausbalancieren von Leistung und Gegenleistung basiert in reziproken Tauschbeziehungen also nicht (nur) auf expliziten Verträgen, sondern vielmehr auf Vertrauen in die Verlässlichkeit des Gegenübers und in die Stabilität der sozialen Beziehung. Es wird keine unmittelbare Gegenleistung erwartet, sondern in der Regel ein Vertrauensvorschuss gewährt.

Eine Reziprozitätsbalance besteht dann, wenn diese Austauschbeziehungen von beiden Seiten als ausgewogen wahrgenommen werden. Eine unausgeglichene Tauschbeziehung kann auch auf starken Machtunterschieden zwischen Beschäftigten und Führungskräften beruhen, die Ausbeutungsverhältnisse ermöglichen und es können einseitige Abhängigkeitsverhältnisse entstehen. Diese machen „Institutionalisierungen generalisierter Reziprozität“ z.B. in Form von Betriebsvereinbarungen erforderlich.

Bei betrieblichen Veränderungsprozessen die Reziprozitätsbalance besonders schnell aus den Fugen geraten. Beispielsweise müssen bei einem häufigen Wechsel von Geschäftsführungen vertrauensvolle Beziehungen immer wieder neu aufgebaut bzw. Fragen der Arbeitsplatzsicherheit immer wieder neu gestellt werden. An einer stabilen Vertrauenskultur im Betrieb lässt sich jedoch arbeiten, indem Entscheidungen (frühzeitig) transparent gemacht und Räume für die Bearbeitung von Konflikten geschaffen werden.