Im Change-Management ist die gegenseitige Erwartungshaltung und Interaktion auf allen und zwischen allen Ebenen der Organisation entscheidend für den Erfolg. Reziprozität, Fairness und partizipative Einbindung der Betroffenen in die Planung und den Verlauf des Change-Prozesses sind zentrale Elemente. Die Reziprozität hängt von der Erwartungshaltung der Parteien ab und vom „Nehmen und Geben“ als „sozialem Tausch“. Im Change wirken dauerhafte Interaktionserfahrungen aus Change histories und kurzfristige Aushandlungen zusammen. Im wechselseitigen Erwartungsgefüge kondensieren sowohl die typischen sozialen Situationen im Betrieb als auch lebensweltliche Erfahrungsbezüge der Akteure zu grundlegenden Einstellungsmustern.

Gelingt dieser soziale Tausch im Unternehmen nicht, können Ungerechtigkeitserfahrungen auf individueller Ebene belastend, individuell gesundheitsgefährdend wirken und soziale Sprengkraft für die Organisation haben. Die im deutschsprachigen Raum relativ traditionsarme organisationale Gerechtigkeitsforschung hat zur Analyse subjektiver Gerechtigkeitserfahrungen eine Unterscheidung von distributiver, prozeduraler und interaktionaler Gerechtigkeit etabliert, die je für sich zu berücksichtigen sind.

Die distributive Gerechtigkeit bezieht sich auf die Gerechtigkeit von Verteilungsregeln und ihren Ergebnissen in Interaktionen (Lohn, Beförderung etc.). Prozedurale Gerechtigkeit beinhaltet im Unternehmen faire Prozesse, die stabil und ethisch korrekt sind sowie möglichst alle relevanten Interessen berücksichtigen. … zeigen die große Bedeutung der Verfahrensgerechtigkeit, da Menschen, nach eigenen Erfahrungen von Ungerechtigkeit befragt, vor allem respektlosen Umgang nennen. Fehlende Verfahrensgerechtigkeit wirkt sich negativ auf das Vertrauen von Beschäftigten gegenüber ihren Vorgesetzten und auf das Commitment gegenüber dem Betrieb aus.

Mit interaktionaler Gerechtigkeit werden (hier: im Betrieb) faire Verfahrensweisen in Situationen bezeichnet, in denen Menschen interagieren. Gerade in Change-Prozessen stellt das Aufrechterhalten interaktionaler Gerechtigkeit für Führungskräfte eine große Herausforderung dar, denn ihr Verhalten steht aus Sicht der Beschäftigten für die „Haltung“ des Betriebes insgesamt. Gerechtigkeit kann unter unsicheren Change-Bedingungen dazu beitragen, das persönliche Sicherheitsgefühl gegenüber betrieblichen Veränderungsstrategien zu verstärken. Erwartete Fairness erhöht aus der Sicht der Beschäftigten die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des Betriebes.

Gerechtigkeit wird (zunehmend) als ein „Wert an sich“ gesehen. Jenseits des Eigeninteresses wollen Beschäftigte z.B., dass auch ihre KollegInnen fair behandelt werden. Als unfair wahrgenommene Managemententscheidungen sind daher nicht nur negativ für die unmittelbar Betroffenen, sondern auch für größere Teile der Belegschaft – und können den sozialen Frieden wie die Motivation beeinträchtigen. Wo durch Changeprozesse der Verlust von Ressourcen wie Stabilität, Teamzugehörigkeit oder Erfahrungswissen droht oder bereits eingetreten ist und soziale Unterstützung ausbleibt, treten Gesundheitsprobleme signifikant häufiger auf. Eine defizitäre Informationspolitik ist als zentrale Moderatorvariable im Zusammenhang von Restrukturierungen und gesundheitlichen Beschwerden empirisch bestätigt.

Partizipation ist nicht nur eine Interventionsmaßnahme zur Schaffung von Akzeptanz („Selling Change“), sondern erhöht wesentlich die Qualität der geplanten Veränderungsprozesse.