Angesichts der sich seit Jahrzehnten vollziehenden Umbrüche in der Arbeitswelt stehen arbeitsbedingte psychosoziale Belastungen seit geraumer Zeit auf der Agenda arbeitspolitischer Akteure, die sich für menschenwürdige Arbeit sowie Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit einsetzen (MEYN 2020). Die Corona-Pandemie hat die mit veränderten Arbeitssituationen verbundenen Belastungen und die Relevanz des Erhalts psychischer Gesundheit weiter ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt.
Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, Arbeit so zu gestalten, dass Gefährdungen für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden werden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Zur Prüfung, inwieweit Schutzmaßnahmen notwendig sind, müssen sie die Arbeitsbedingungen beurteilen und dabei Faktoren psychosozialer Belastung berücksichtigen (§ 5 ArbSchG).
Trotz der Vielzahl vorhandener Handlungshilfen und Instrumenten mangelt es nach wie vor in erheblichem Umfang an der betrieblichen Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychosozialer Belastungen (GDA 2018).
Die erste Auflage eines von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA 2013) herausgegebenen Fachbuches bot eine materialreiche Handlungsgrundlage für betriebliche Praktiker*innen, indem neben der Erklärung von psychosozialen Belastungen als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung auch auf verschiedene Verfahren der Gefährdungsbeurteilung als Analyse- und Gestaltungs-Prozess gelegt wurde. Dabei lag der Fokus allerdings auf Großunternehmen. Kleine und mittlere Unternehmen, die den Großteil der deutschen Unternehmenslandschaft ausmachen, stehen im Hinblick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz grundsätzlich vor besonderen Herausforderungen: Strukturen, Ressourcen und die Arbeitsorganisation in KMU führen oft dazu, dass Maßnahmen im Arbeitsschutz, der betrieblichen Gesundheitsförderung oder dem BEM nicht oder nur ‚informell‘ durchgeführt werden (GEORG et al. 2019). Dies gilt insbesondere für die Gefährdungsbeurteilung psychosozialer Belastung (BECK 2017).
Besonderer Unterstützungsbedarf für KMU bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung wird darin gesehen, einen Überblick über die gesamte Belastungssituation im Betrieb zu erhalten, dabei möglichen Ursachen konkret auf den Grund zu gehen sowie den Prozess alltagstauglich und rechtssicher zu dokumentieren. Die BAuA arbeitet daher an einer Neuauflage ihres Fachbuchs. Das Dortmunder Forschungsbüro für Arbeit, Prävention und Politik (DoFAPP) wurde im Rahmen dieses Projekts damit beauftragt, systematisch zu recherchieren und aufzubereiten, welche Empfehlungen bisher von Seiten nationaler wie europäischer Arbeitsschutz- und BGF-Institutionen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychosozialer Belastung speziell für Kleinbetriebe vorliegen.
Nach einem systematischen Scoping Review von Handlungshilfen, Leitfäden, Tools etc. erfolgt eine Aufbereitung des Wissensstandes sowie eine Zusammenfassung des Materials, die in einer Stellungnahme zur KMU-Spezifik der Empfehlungen münden wird.
Das Projekt „Aufbereitung und Bewertung des aktuellen Standes KMU-spezifischer Empfehlungen zur Vermeidung von Gefährdungen durch psychische Belastung“ läuft bis zum September 2021.